Medienforschungsschwerpunkte im Jahr 2022/ Research Areas for the year 2022
AGENDA of the PROCESS:
The 2022 summer workshop will focus on thoughtwalks and ecosomatic experiments,
and visits/ascents (Aufstiege) to the Planplatten (day 1) and the Rosenlaui glacier (day 2)
François Diday, Le glacier du Rosenlaui (The
Rosenlaui Glacier), 1841
For a preparatory essay on the Rosenlaui Glacier project, please read
Heiner Weidmann: "Exkursion zum Rosenlaui-Gletscher, Pleinair 2022"
[see Theory pages]
For a workshop essay on the postcard writing project, please read
Pia Holenstein: Postkarten: Eine Denk- und Schreibaufgabe
[see Theory pages]
Preparations and correspondence via post cards (real/digital)
1. glaciers, glass houses, and the sublime
Tuesday 26/04/2022 13:58
Eine noch vage Idee für unser Pleinair: Ich habe im Kunstmuseum in Lausanne dieses monumentale Bild von François Diday gesehen:
https://www.mcba.ch/en/collection/le-glacier-du-rosenlaui-the-rosenlaui-glacier/
An diese Stelle, unterhalb des Rosenlaui-Gletschers, könnte ich euch
führen, wir wären ausgerüstet mit Malutensilien und Smartphone,
und die Aufgabe wäre es, diesen Ort festzuhalten oder zu dokumentieren
auf eine ganz andere Weise, als es hier geschieht, wo er als „Landschaft“
in der Kantischen Ästhetik des Erhabenen eingerahmt wird; einen neuen,
„angemesseneren“ Zugang zu finden. Und vielleicht wird der eine
sich mit der Landschaft bis zur Unkenntlichkeit bekleiden, vielleicht wird
die andere selber versteinern oder schmelzen, mit Verlusten müssten wir
durchaus rechnen…
Interessante Versuche machst du in deinem Haus. Alte Klassiker steckst du
in Einmachgläser (Einweckgläser, ich bin genau so unsicher wie du)?
Das erinnert mich Pias Bruder Leo, den Künstler, der sich in dieser Zeit
oft mit seinem „Werk“ beschäftigt, das er in vielen Jahren
(öffentlich nicht besonders erfolgreich) geschaffen hat: In einer Ausstellung
hat er einmal ein Bündel von Bildern von ihm in eine Truhe eingeschweisst,
so dass man sie nicht mehr öffnen kann, und hat diese ausgestellt. Oder
er hat ein Gemälde unter einen Teppich gelegt, so dass nur das Relief
störend sichtbar blieb, oder er hat in einen Naturstein einen USB-Stick
mit all seinen fotografierten Werken darauf eingemauert, und ein Kabel hängt
heraus, das man an einen Computer anschliessen könnte. Du suchst ja auch
nach neuen Möglichkeiten, Weggeschafftes dableiben zu lassen (siehe deine
Baumstämme aus nicht mehr existierenden Baumstämmen), ich bin gespannt
auf das Gläsergestell…
Die Idee mit dem green house, dem glass house, gefällt mir, klar, wenn wir den Zaun erneuern, dann können wir das auch noch gleich bauen, aber ich sehe schon kommen, dass die praktischen Anforderungen uns dann fast überfordern werden: wie ein massives Fundament bauen, wie verhindern, dass sich das Glashaus bei Sonne sofort wie ein Treibhaus aufheizt? Lass uns lieber ausmalen, wie es sein kann, das Innen ins Aussen verschränkt, ein Haus mit eigenem angenehmem Wetter darin, Pflanzenschatten, Kühle, und Platz, um die Fantasie auszubreiten und um sich herum zu entwerfen, damit könntest du Michèle besser anlocken als ich die Insekten mit meinem Insektenhotel, sie könnte nicht widerstehen, diesem Traumkünstlerinnenhaus. Und da Michèle sich ohnehin einer Kunst verschrieben hat, die nicht ob-jektivierend ist, in der sich kein Subjekt der Welt gegenübersetzt oder entgegenstellt, sondern die Werke, die „Stoffe“ wearable, tragbar, sind, so dass die Träger sich in sie verwandeln und umgekehrt, darum braucht sie auch ein „Atelier“, das keine Klause ist und kein künstlicher Innenraum, sondern ein Ort jenseits von innen und aussen. (HW)
.
Glacier Preset Studies (c) 2022 Heiner Weidmann
Sunday, 12 May 2022
Well, Ithink I will use a line from returning Japanese tennis star Naomi Osaka: "I feel like a stand-up comedian, who is trying to find out what is okay, and what is not."
She must mean the jokes? Tiger Woods gave up, I heard, and everyone felt sorry
for him.
This is my worst fear, that I fall and break my leg or something and the people
here say, ah, we are so sorry, we were hoping you would survive.
How does one survive against
all the odds, how do relationships survive? Today a Swiss writer in the FAZ
ponders the process of thinking about sons, what if your son were drafted
to the war against Russia? what if your son, say a mildly hippie unkempt and
forgetful studen, 26 years old, trying to finish his studies in Betriebswirtschaft,
had to sit in a tank or throw hand grenades? (Linus Reichlin, "Der einzige
Sohn" -
Liesse man den einzigen Sohn in den Krieg ziehen, so fragt er). I don't know,
I don;t have a son.
The tears of the therapist,
in "En thérapie," come to mind, and his problems with his
father, and his mother, and ex-lover. We have had enough, and yet we can't
stop watching, it is of course lovely -- they they all blame him, his patients
("you are fake," yells the boy), "it's your fault", say
the women, and the old business man threatens to sue him. Idid not realize
psychotherapy was such a dangerous job where everyone at one point loves you
and want to sleep with you, and the next moment they blame you for everything
that has gone wrong in their lives.
The supervisor ice-woman behind her armor, she has the best lines in session
25:
Kennen die das Wort, das
in der Bibel für das Totenreich verwendet wird?
Scheol:
Etymologisch ist die wortwörtliche Bedeutung des Begriffs ‘die
Frage’:
die, die sterben müssen, fallen in die Frage,
und lassen die anderen ohne Antwort zurück.
To fall into the question.
I like this.
I mentioned your plan
to Professor H., my old mentor, namely that we were preparing to meet at your
chalet in the Hasliberg mountains and then would do a pilgrimage to Rosenlaui
Gletscher, and that I would expectm when waking up in the chalet, to find
literature on glaciers.So that I can mentally prepare. Prof. H. was pondering
the plan and said: "hurry up, the glaciers are disappearing."
You see how ignorant I am, Ireally know nothing about glaciers, not to speak
of the literature and the paintings that may exist.. My Limerenz disaffection
is growing, too, and Ihave no solution, and it is beginning to depress me.
(JB)
Christina Kubisch, Das Glashaus, Sound Installation, Saarlandmuseum, 2022.
2. war in Europe / cognitive dissonance
Danke, dass du uns alle
angeschrieben und wieder mal als Gruppe dargestellt hast, danke auch, dass
du meine Kriegsbedenken aufgenommen hast, und der Artikel, den du anfügst,
gibt mir zu denken; und wenn ich mal artikulierter darauf antworten kann,
schreib ich euch allen (auf Englisch).
«Stattdessen sollte das Ziel von Politik doch sein, dass ein Leben möglich
ist, mit dem man einigermaßen im Reinen sein kann.» So endet der
Artikel. Ob das nun die Aufgabe der Politik sei, ist noch die Frage, aber
das Hauptproblem wird so beschrieben: dass wir ein Leben führen, mit
dem wir nicht im Reinen sind. Kognitive Dissonanz. Wie halten wir das nur
aus? wird scheinheilig gefragt, und man verschleiert damit, dass es unser
Leben nicht gross beeinträchtigt, dass wir es sehr gut aushalten, dass
unser Leben vielleicht zu einem grossen Teil in diesem Verhalten besteht,
das in der Vermeidung des Aufbrechens der gelebten Konflikte besteht.
Und da scheint mir der Ukraine-«Konflikt» auch nur ein Symptom
zu sein irgendwie: einerseits das Aufbrechen eines Konflikts, andererseits
aber auch schon ein bequemes Angebot, einen ungelösten Konflikt philosophisch
und praktisch zu bewältigen, philosophisch: indem man die Trennung Gut-Böse
in entlastender Deutlichkeit zieht, und praktisch: indem man die Flüchtlinge
mit einer Hilfsbereitschaft, die nicht angeboren sein kann (denn sonst wären
auch syrische und afghanische Flüchtlinge schon ähnlich behandelt
worden, aber so ist es nicht, die reiben sich die Augen und können nicht
fassen, in welcher Klassengesellschaft sie gelandet sind), aufnimmt.
Ein fremder Diktator will ein freies Land (wie es das Land ist, in dem wir
leben) auslöschen: Nichts wie hin in den Kampf also, was gäbe es
Sinnvolleres. Aber wie die Schwierigkeiten des Embargos und des Boykotts zeigen,
ist der Kampf, ist die Grenze Gut-Böse, nicht so einfach: Der Kampf für
unsere Werte, das ist nicht der Kampf für demokratische Freiheit, sondern
auch der Kampf für internationalen alternativlosen Kapitalismus und für
das unfreie Leben, das wir darin führen. Ich
hatte mich ja einfach gewundert (im Mail an dich), dass wir alle zu Falken
geworden sind und die Tauben findet man nicht mehr; dabei führen ja die
ukrainischen Erfolge an der Front dazu, dass die angefangenen Friedensgespräche
wieder abgebrochen werden. Wenn ein Boxweltmeister uns erpresserisch sagt:
Helft uns, sonst klebt Blut an euren Händen, was klebt denn an unseren
Händen, wenn endlich die schweren Waffen geliefert sind.
Ich habe mich daran erinnert, dass Uschi sich mal als Pazifistin bezeichnet
hat. Aber ob ich pazifistisch bin, weiss ich nicht. Ein Pazifist denkt ja
wohl so: Kein Krieg ist besser als Krieg (auch wenn die Umstände im Nicht-Krieg
schwer zu ertragen sind). Und wenn ein Krieg angefangen hat, dann muss er
so rasch wie möglich wieder beendet werden. (Und über den Krieg
sind wir uns doch in einigen Grundzügen einig: Dass der Krieg auf jeder
Seite unmenschlich und abscheulich geführt wird; dass es auf jeder Seite
Grausamkeiten und Vergewaltigungen und schlimmste Verletzungen gibt; dass
die Medien auf jeder Seite Propaganda machen; und vielleicht auch: dass Waffen
den Krieg selten verkürzen.)
Ich habe ja auch, wie du, einige Monate im Militärdienst verbracht, und
nach dieser Erfahrung (obwohl das absolut harmlos und langweilig und eigentlich
lächerlich ungefährlich war) weiss ich, dass ich mich in kurzer
Zeit in einen Kämpfer an der Front verwandeln würde oder verwandelt
werden könnte, dass das auszuhalten wäre, dass es zu machen wäre,
und nicht einmal ganz ohne Lustgewinn.
Kognitive Dissonanz. Ja, lebe ich denn anders seit Jahr und Tag; ein Philosophielehrerkollege
hat immer propagiert, wie es das Ziel seines Lebens sei, Denken und Handeln
in Übereinstimmung zu bringen (und wie das auch der Sinn und Zweck von
Philosophie sei natürlich), und ich habe ihn dafür immer heimlich
ausgelacht und seine Verkennung der Realität verachtet. Vielleicht halten
wir es ja nur so aus, mit dieser Dissonanz.
Ich nehme langsam die Organisation des Pleinair an die Hand, und ich muss euch dann auch einmal informieren – nicht unbedingt über die Hausaufgaben, die ihr machen müsst (Klaus hat geschrieben, von Hausaufgaben sei abzusehen, wenn ich nur den nötigen Vorrat an Bier etc. anschaffe), aber über das Programm. Mal-Material habe ich schon gekauft. (HW)
3. painting and postcards
29 June, 2022
Heiner, your plan is beautiful.
I am so pleased and thankful, and inspired, that you took on the role of host
this year, and continue or begin a tradition where we might rotate and expand...
Thinking about the plans and the hotel for the climb to the Rosenlaui, it
seems to me that we can offer a contribution just as you did to me last year,
i will talk to Klaus as well,
and please let us know whether we can each make a contribution...
I shall also bring easels, canvases and brushes and acrylic, and some drawing paper, and my camera, as well as some bottles of red wine to help you or contribute to the sustenance. If you can think of anything else, let me know. I am not sure about brining laptop? maybe I will, although, upon reflection, it is not really necessary (as you proposed, to show the "River of no one", I think everyone has already seen it), why don't we begin with a clean slate, and you set the tone for the Rosenlaui glacier, and a plein air in the Swiss mountains, and ideas about writing and discussion/investigation that come from you and Pia. (JB)
10 August 2022
A good and fresh Monday
morning, dear friends!
Heiner and I are already in Hasliberg and looking forward to Thursday, when
we hopefully start a few days together.
I have a request - a homework? - a bringalong wish: Do you have postcards
- you know, picture in front, message oder plain on the back - old physical
mediums of keeping up friendship? If you have some of these items, whether
personal, interesting or just by chance, without meaning, it would be great
to have them here for a moment of
creative writing. It can be a simple foto of a holiday destination, perhaps
it is even better, if it is not too meaningful. - If you don't have any, never
mind, me or somebody else brings one for you.
All the best, have a good trip. (PH)
.
..
.
From left to right: Postcard HW to JB , 29.6. 1987 // Postcard MD to JB 30. 11. 2009
4. Kanonenfutter / Naturbetrachtungen (Johann Wolfgang Goethe)
Den 19. September nachts, 1792
Ich hatte so viel vom
Kanonenfieber gehört und wünschte zu wissen, wie es eigentlich damit
beschaffen sei. Langeweile und ein Geist, den jede Gefahr zur Kühnheit,
ja zur Verwegenheit aufruft, verleitete mich, ganz gelassen nach dem Vorwerk
La Lune hinaufzureiten. Dieses war wieder von den Unsrigen besetzt, gewährte
jedoch einen gar wilden Anblick. Die zerschossenen Dächer, die herumgestreuten
Weizenbündel, die darauf hie und da ausgestreckten tödlich Verwundeten
und dazwischen noch manchmal eine Kanonenkugel, die sich herüberverirrend
in den Überresten der Ziegeldächer klapperte.
Ganz allein, mir selbst gelassen, ritt ich links auf den Höhen weg und
konnte deutlich die glückliche Stellung der Franzosen überschauen;
sie standen amphitheatralisch in größter Ruh und Sicherheit, Kellermann
jedoch auf dem linken Flügel eher zu erreichen.
Mir begegnete gute Gesellschaft, es waren bekannte Offiziere vom Generalstabe
und vom Regimente, höchst verwundert, mich hier zu finden. Sie wollten
mich wieder mit sich zurücknehmen, ich sprach ihnen aber von besondern
Absichten, und sie überließen mich ohne weiteres meinem bekannten
wunderlichen Eigensinn.
Ich war nun vollkommen in die Region gelangt, wo die Kugeln herüber spielten;
der Ton ist wundersam genug, als wär' er zusammengesetzt aus dem Brummen
des Kreisels, dem Butteln des Wassers und dem Pfeifen eines Vogels. Sie waren
weniger gefährlich wegen des feuchten Erdbodens; wo eine hinschlug, blieb
sie stecken, und so ward mein törichter Versuchsritt wenigstens vor der
Gefahr des Ricochetierens gesichert.
Unter diesen Umständen konnt' ich jedoch bald bemerken, daß etwas
Ungewöhnliches in mir vorgehe; ich achtete genau darauf, und doch würde
sich die Empfindung nur gleichnisweise mitteilen lassen. Es schien, als wäre
man an einem sehr heißen Orte, und zugleich von derselben Hitze völlig
durchdrungen, so daß man sich mit demselben Element, in welchem man
sich befindet, vollkommen gleich fühlt. Die Augen verlieren nichts an
ihrer Stärke, noch Deutlichkeit; aber es ist doch, als wenn die Welt
einen gewissen braunrötlichen Ton hätte, der den Zustand sowie die
Gegenstände noch apprehensiver macht. Von Bewegung des Blutes habe ich
nichts bemerken können, sondern mir schien vielmehr alles in jener Glut
verschlungen zu sein. Hieraus erhellet nun, in welchem Sinne man diesen Zustand
ein Fieber nennen könne. Bemerkenswert bleibt es indessen, daß
jenes gräßlich Bängliche nur durch die Ohren zu uns gebracht
wird; denn der Kanonendonner, das Heulen, Pfeifen, Schmettern der Kugeln durch
die Luft ist doch eigentlich Ursache an diesen Empfindungen.
Als ich zurückgeritten und völlig in Sicherheit war, fand ich bemerkenswert,
daß alle jene Glut sogleich erloschen und nicht das mindeste von einer
fieberhaften Bewegung übrig geblieben sei. Es gehört übrigens
dieser Zustand unter die am wenigsten wünschenswerten; wie ich denn auch
unter meinen lieben und edlen Kriegskameraden kaum einen gefunden habe, der
einen eigentlich leidenschaftlichen Trieb hiernach geäußert hätte.
* * *
Trier den 25. Oktober, 1792
Die mir nunmehr gegönnte Ruh und Bequemlichkeit benutzte ich nun ferner,
manches zu ordnen und aufzubewahren, was ich in den wildesten Zeiten bearbeitet
hatte. Ich rekapitulierte und redigierte meine chromatischen Akten, zeichnete
mehrere Figuren zu den Farbentafeln, die ich oft genug veränderte, um
das, was ich darstellen und behaupten wollte, immer anschaulicher zu machen.
Hierauf dacht' ich denn auch, meinen dritten Teil von Fischers »Physikalischem
Lexikon« wieder zu erlangen. Auf Erkundigung und Nachforschen fand ich
endlich die Küchmagd im Lazarett, das man mit ziemlicher Sorgfalt in
einem Kloster errichtet hatte. Sie litt an der allgemeinen Krankheit, doch
waren die Räume luftig und reinlich; sie erkannte mich, konnte aber nicht
reden, nahm den Band unter dem Haupte hervor und übergab mir ihn so reinlich
und wohl erhalten, als ich ihn überliefert hatte, und ich hoffe, die
Sorgfalt, der ich sie empfahl, wird ihr zugute gekommen sein.
Ein junger Schullehrer, der mich besuchte und mir verschiedene der neusten
Journale mitteilte, gab Gelegenheit zu erfreulichen Unterhaltungen. Er verwunderte
sich wie so viel andere, daß ich von Poesie nichts wissen wolle, dagegen
auf Naturbetrachtungen mich mit ganzer Kraft zu werfen schien. Er war in der
Kantischen Philosophie unterrichtet, und ich konnte ihm daher auf den Weg
deuten, den ich eingeschlagen hatte. Wenn Kant in seiner »Kritik der
Urteilskraft« der ästhetischen Urteilskraft die teleologische zur
Seite stellt, so ergibt sich daraus, daß er andeuten wolle: ein Kunstwerk
solle wie ein Naturwerk, ein Naturwerk wie ein Kunstwerk behandelt und der
Wert eines jeden aus sich selbst entwickelt, an sich selbst betrachtet werden.
Über solche Dinge konnte ich sehr beredt sein und glaube dem guten jungen
Mann einigermaßen genutzt zu haben. Es ist wundersam, wie eine jede
Zeit Wahrheit und Irrtum aus dem kurz Vergangenen, ja dem längst Vergangenen
mit sich trägt und schleppt, muntere Geister jedoch sich auf neuer Bahn
bewegen, wo sie sich's denn freilich gefallen lassen, meist allein zu gehen
oder einen Gesellen auf eine kurze Strecke
mit sich fortzuziehen.
(Auszug aus Johann Wolfgang
Goethe
Campagne in Frankreich, 1792)
http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Autobiographisches/Campagne+in+Frankreich+1792
Honig der Phantasie, Heiner Weidmann (c) 2022
5. glass houses, part 2
August 16, 2022
Dear Heiner, thank you for your postcard from the summer of 1987, which I only now get a chanc e to reply to. I appreciate receiving your condolences, my father diedwhile I was in Dallas, Texas, where i moved, as you know, after the time we lived together in New Haven. I remember this time with great fondness, although I cannot recall many details, except a dinner we arranged for two visitors,and one of them I think was a teacher of poetics and you had convinced me that this teacher, who was also an editor, was responsible for a very important edition of books on "Poetik and Hermeneutik," which I then ordered and purchased, although I was not in the least interested in the subject matter.
I now read that the Frankfurt Romantik-Museum is having an exhibition titled "Zeichnen im Zeitalter Goethes", and introduces the subject of drawing and writing, a "Kulturtechnik des raschen Hinwerfens von Linien" in the era of romatic poetry, claiming that poets like Goethe had art teachers and studied as well as admired drawing and painting, considering the fact that letters, and literary writing, could "nahtlos von der Schift in ein Bild übergehen." There is also a drawing in the exhibition that caught me eye, a work by George Willis "Lago Maggiore mit der Isola Bella" [1788[, which looks as if it were depicting the mountain vista that one can see from your chalet. Back when you write your postcard you invited me to visit you, and it took 35 years for me to follow your kind invitation.
I note that you had chosen an image for your postcard from a painting by Georges de la Tour, which you must have seen in the Louvre. I puzzled over the image, it is incomprehensible, but I hope le tricheur is not death the cheater who deprives us of our fathers -- the funeral was a village affair, if I recall, everyone attending and then there was the descent into family gathering afterwards. I wanted to leave right away, just needing to be alone. I don't know why.
You generously offered to visit you later that summer, but I assumed you had to watch Laura, and this would be a consuming task, just as you now have to watch over Ramiro, Laura's boy. I don't know what it is like to be a father, or to ber married, how is it for you? tricheur à l'as de carreau. Did you feel cheated in a game? You mentioned that you planned to get away over the summer, on holidays, in order to have been away, at least, if only for a fraction of time, a jump, drawing away, a carefully controlled composition, as they discuss them for the Romantik-Museum exhibition:"atemnehmende Präzision" is attested to the drawings by Dietricy, Christian Georg Schütz, Johann Ludwig Morgenstern, or the teachers Adam Friedrich Oeser and Jakob Philipp Hackert. A vacation from what?
I am pondering the saying I mentioned to you this spring, I forget where I read it: "Nulle dies sine linea." Horaz? Pliny the Elder? I am not sad about the loss of a father, but feel cynical, rather, about my probably complete inability to mourn, to be near death.
The glass house is such a place where one can be cynical, and ponder making small objects that could be "eingeweckt". Einweckgläser, you are right, this is the name of these glasses. Life in Dallas was cut up, when you postcard came, in June of 1987 - I was already fired. The school of arts was discontinued, due to the oil crisis in Texas. Disruptions of our lives, energy crises and war, they continue, and Uschi wants to talk to us at this year's workshop about the meaning of life, "Was ist das Leben" (her new film), what is this life? I do not know, but i wish to take up your invitation and come to visit you in Switzerland and your mountain chalet. (JB)
September 2, 2022
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Postcard, Heiner Weidmann (c) 2022
Postcard, Pia Holenstein (c) 2022
Postcard, Klaus Behringer (c) 2022
A Moving-Sounding Postcard, Michèle Danjoux (c) 2022
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Postcard reply to 2009, JB to MD (c) 2022
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Postcard Waldhirsch to Schön-Gemaserte, o.D. (c) 2022
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Postcard, received by Uschi Schmidt Lenhard, (c) 2000
Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel als Abgrund unter sich (Paul Celan)
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webpage content prepared & edited by Johannes Birringer (c) 2022
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Was ist Interaktions-Kunst? Ein Manifest.
Allgemeine Beschreibung des Labors/ General Description
of the Lab
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