7. Internationales Interaktionslabor

(english) (german) (francais)

 

 

Auf der anderen Seite des Spiegels

Manuscript

(Auszüge)

 


Phantasien autistischer Menschen


(Anm.: auch „normale Phantasien autistischer Menschen)


Mein Name ist Sybille, ich bin autistisch (Asperger).
Ich möchte Euch einen Teil von meiner Welt zeigen.
Dazu brauche ich noch jemanden, der mir dabei hilft, zwischen den Welten zu vermitteln.
Ich brauch irgendwie immer was, was zwischen mir und Euch ist. Normalerweise – im Alltag – benutze ich meinen Kontaktstab. In diesem Fall benutze ich den Herrn Lorenzen. Der ist Psychologe bei der Autismusamb. Und arbeitet mit autistischen Personen. Ihn finde ich dafür als geeignet.


Ein Teil meiner Welt sind Phantasien.
Es beginnt meistens, dass ich einfach nur dasitze – hin und her wackele (Stereotypien) und mich verliere.
Und schon beginnt die Reise.
Ich befinde mich auf der Erde, die Erde ist einmalig in unserem Sonnensystem, ein blauer Wasserplanet, der von Leben erfüllt ist – auf dem Leben möglich ist.
Ich sehe die Sonne am Himmel – in Gedanken reise ich weiter. Ich tauche von dem hellen Sonnenlicht ins Dunkle der Nacht und begegne dem Mond.
Mark Twain (amerikanischer Schriftsteller) hat einmal irgendwann geschrieben:


Jedermann ist ein Mond
mit einer dunklen Seite,
die er niemals jemandem zeigt.


Diese Worte kommen mir in den Kopf, während ich dem Mond begegne. Doch schon bin ich weiter, ich bin bei Merkur. Merkur ist ein sehr extremer Planet, er ist am Sonnennächsten und doch zählen seine Nächte zu den kältesten in unserem Sonnensystem. Ich ziehe weiter zur Venus – Mars – an Jupiter vorbei zu Saturn – Uranus – Neptun, um so auch noch Pluto, den von der Sonne entferntesten Planeten, hinter mir zu lassen.


Dann, dann auf einmal, seh ich etwa, weit – weit hinter der Milchstraße. Es sieht aus wie ein Planet aus Glas, irgendwie durchsichtig. Ich komme dem Planeten immer näher und tauche ein in seine Atmosphäre. Es ist wie Magie – es ist ganz leicht. Und schon bin ich da. Ich befinde mir auf einem Planeten, der weit – weit weg von der Erde ist. Ich bemerke, dass ich atme, ja ich lebe. Das ist ein Planet, auf dem Leben (leben?) möglich ist.


Ich schaue mich um. Als erstes bemerke ich, dass viele Gebäude aus Glas sind. Es ist eine etwas fremde, und doch so vertraute Architektur. Auch sehe ich keine großen Farbkleckse, wie auf der Erde. Es ist alles in einer Blau-Glas-Kombination. Ich schaue zum Himmel, um nach der Sonne zu gucken. Aber am Himmel ist keine Sonne. Ich weiß nicht, wie es trotzdem so hell auf diesem Planeten ist. Der Himmel hat auch keine störende, sich ständig verändernde, bewegende, Angst machende Wolken. Ich bemerke auf einmal ein leichtes Gefühl des Wohlbehagens. Was ich bis jetzt sehe, gefällt mir.
Mein Blick richtet sich wieder der Straße zu.


Die Straßen sind klar strukturiert und wirken irgendwie ordentlich. Die Straßenschilder sind in alphabetischer Reihenfolge gehalten. Da, jetzt sehe ich die ersten Menschen!? – Lebewesen? Nein, es sind wirklich Menschen, genau wie „Du“ (Norm) und „Ich“ (Autist).
Ich geh automatisch in die Richtung der Menschen. Als ich nur noch einige Schritte von den Menschen entfernt bin, seh ich, ja ich weiß es auf einmal: Diese Menschen sind nicht wie „Du“ (Norm) und „Ich“ (Autist).
Diese Menschen sind wie „Ich“.


„Ups“, in dem Augenblick, als mir das bewusst wird, spür ich die Arroganz in mir, zu urteilen und mich zu freuen – dass „Du“ (Norm) so ganz anders bist und nicht „Ich“ (Autist). Es ist eigenartig, wie schnell man auf der anderen Seite des Spiegels steht.
Einen Moment lang genieß ich noch das Gefühl. Doch auf einmal ist da ein anderes Gefühl in mir, irgendwie traurig – leer, ja fast beschämend.
Ich überleg auf einmal, ob es auf diesem Planeten auf „Du-Menschen“ gibt.
Wenn ja, wie sie wohl in dieser Welt, in der der autistische Mensch die Norm darstellt, leben?


K l i n g e l K l i n g e l …..


Meine Ohren! Irgendwas ist mit meinen Ohren! Ein ganz lautes, schrilles Geräusch!
– Dann kommt die Leere –
– eine schier endlose Leere
Später –
Ich bin wieder auf der Erde.

 

Übergang Phantasie: Wechsel in der Natur

 

Wechsel der Natur macht mir auch Probleme. Z.B. Es ist Sommer, ich habe mich grade an die Farben-Lichtintensität in meiner Umgebung gewöhnt.
Bäume, Wiesen, alles, ja selbst die Häuser, Straßen, Menschen wirken anders, so, als wäre ich in einer fremden Stadt.
Ich hab mich also grad mal so dran gewöhnt, wo dass ich mich einigermaßen orientieren kann, dann beginnt der Wechsel zum Herbst.
Die Farben scheinen sich fast über Nacht zu verändern. Dieselbe Stadt – Straße, derselbe Ort, wirkt auf einmal anders.
Die Wolken verunsichern mich im Herbst am meisten.


Sie wirken auf mich wie sich ständig verändernde, in Farb und Form und auch in ihrer Nähe zur Erde verändernde Gebilde.
Manchmal kommt es mir vor, als wären sie ganz nah, groß, dick, dunkel mit einem hellen, eigenartigen Lichtkranz dahinter.
(AnmL: Wolken in der Malerei, z.B. Nolde, Turner, usf.; gute Wahrnehmung)


Ich hab das Gefühl, dass sie jeden Moment auf die Erde fallen, und großes Chaos verursachen.
Wenn dann noch starker Herbstwind aufkommt, und Hunderte von Blättern ziellos durch die Luft wirbeln, ja dann ist mein (!usl) Chaos perfekt.
Manchmal berühren mich die Blätter, doch obwohl die Kleidung zwischen meiner Haut und den Blättern ist, spür ich etwas, das wie die Glut einer Zigarette ist, wenn (es?) sie auch die Haut kommt.


Dann passiert es schon mal, dass ich ein wenig hysterisch reagiere. Scheinbar grundlos reagiere ich mit lautlosem (AmnL ?) Geschrei (als Kind hab ich laut geschrien), heftigen Bewegungen der Arme, unruhiges Hin- und Hergehen und Autoaggression.
Heute, als Erwachsene, reagiere ich nicht mehr so heftig. Vielleicht liegt das daran, dass ich die Jahreszeiten so viele Jahre schon erlebt habe und ich dadurch besser damit umgehen kann.


Beunruhigend ist es aber trotzdem noch für mich. Dieses Wechselspiel der Natur.
Früher aber, als Kind, waren meine Reaktionen viel, viel unkontrollierter und heftiger. Ich konnte mir in solch einer Situation, z.B. den Kopf an die Wand schlagen, dass es schon hatte sein können, dass ich mir selbst eine Gehirnerschütterung machte, ohne es zu bemerken.

Den Wechsel zum Winter empfinde ich nicht so schlimm. Im Winter hab ich Probleme, die Tageszeiten richtig einzuordnen. Z.B. ob es Morgens, Mittags oder Abends ist. Ein größeres Problem im Winter ist, die Temperatur richtig einzuordnen. Mein innerer Thermostat macht sich irgendwie zu spät bemerkbar. Deshalb bin ich oft krank im Winter. Ich bemerke erst wirklich, dass mir kalt ist, wenn meine Haut blau wird und einzelne Finger weiß und taub werden. Meine Zähne klappern dann auch ganz toll und ich zittere am ganzen Körper. Ich kann dann meinen Kontaktstab nicht mehr richtig halten. Der fällt dann oft runter. Ich kann den dann einfach nicht in meiner Hand fühlen.


Da ich sowieso ein bisschen Probleme mit meiner Körperwahrnehmung hab, empfinde ich in diesem Stadium der Kälte nicht immer die Kälte. Das kann dann auf einmal sein, dass ich das Gefühl von heiß bekomme, und trotz der Kälte die Jacke ausziehe. Oft kommt dann auch noch schweres Atmen (Asthma-Anfälle) dazu, so dass ich echt Probleme hab, bis ich dann wieder zu Hause bin. Dann hab ich aber meistens auch Fieber, manchmal geht dann das Asthma nicht mehr weg, so dass Patricia mich ins Krankenhaus schickt. Patricia zieht mich dann an, und ich gehe in das nahe gelegene Krankenhaus, das nur 3 bis 5 Minuten entfernt ist. Das ist gegenüber von einer Wohnung. Die Ärzte kennen mich schon, weil das ja doch ziemlich oft ist. Ich bekomme dann Infusionen – Sauerstoff, Penizillin oder Antibiotika. Wenn ich Glück habe, und es ist mal keine Lungenentzündung, bin ich schnell wieder gesund. Nach ca. 14 Tagen im Krankenhaus kann ich wieder nach Hause gehen.


Ich glaube, dass die Wahrnehmungsstörung den Autismus macht.
Ich glaube auch, dass die Wahrnehmungsstörung nicht bei jedem Autisten gleich gelagert ist. Es gibt vielleicht Autisten, die ihre Wahrnehmungsstörung auf ganz anderen Gebieten bemerken und auch in unterschiedlicher Intensität empfinden.


Es wäre gut, wenn auch andere Betroffene von ihrem eigenen Empfinden, Erleben der autistischen Wahrnehmungsstörung schreiben würden, oder sich irgendwie äußern würden. Bei manchen ist ja die Sprache ganz weg, wenn dann noch hinzu kommt, dass sie nicht schreiben können, würde ich gucken, ob die ihre Wahrnehmung vielleicht malen könnten. Das wären bestimmt ganz tolle Bilder.


Ich sehe den autistischen Menschen nicht als bekloppt, gestört, debil. Ich sehe den autistischen Menschen als einen Kristall. Auf den ersten Blick sieht er aus wie Glas: leer – kalt –hart – dicht (unzulänglich, ohne Phantasie und Gefühl). Wenn ich den Kristall in Richtung Sonne halte (also in die richtige Richtung lege), kommt es auf einmal, dass er in den tollsten Regenbogenfarben leuchtet. Erst dann erkennt man die Fülle und das Schöne in dem Kristall.


Das ist so, wie mit manchen Künstlern. Z.B. glaube ich, dass viele berühmte Maler auch eine Wahrnehmungsstörung haben (hatten), und aufgrund dieser Wahrnehmungsstörung ganz tolle Bilder malen, und den Menschen, ganz oft grad den „Du Norm Menschen“ eine Welt zeigen, für die sie eine Menge Geld bezahlen, um es sich an die Wand zu hängen. Eine Welt, die ihnen gefällt, die sie selbst nicht sehen können.
Auf einmal heißt es nicht mehr bekloppt – debil gestört – grotesk. Auf einmal heißt es „Kunst“.

 

(3) Im Bild sein

Manchmal, wenn ich ein schönes Bild sehe, kommt auch Phantasie in meinen Kopf.


Ich gehe in das Bild, so dass ich Teil des Bildes werde. Z.B. ein Bild, auf dem eine große Wiese gemalt ist, dahinter sieht man ein kleines Backsteinhaus, sonst ist nichts auf dem Bild zu sehen. Ich gehe barfuß über die Wiese, ich spür auf einmal die Grashalme an den Füßen. Leichter Wind kommt auf, eher ein Hauch von Wind, die Grashalme wiegen sich leicht hin und her. In diesem Moment bemerke ich den Geruch von frischem Gras und das Gefühl von Glück in mir. Ich hab das Bedürfnis, mich einfach auf die Wiese zu legen und den Augenblick zu genießen.


Doch dann sehe ich ein paar Gänseblümchen. Ich hab Angst, dass ich denen wehtue oder sie irgendwie kaputt mache, wenn ich mich jetzt auf die Wiese lege.
Also gehe ich ganz zart und vorsichtig weiter durch die Wiese und passe ein bisschen auf, dass ich nichts kaputt mache. Mir ist, als würde das Gras und die Gänseblümchen das merken, denn sie kitzeln mich an den Füßen und es ist, also ob sie dabei leise, freundlich kichern. Ich bemerke auf einmal, dass ich selbst anfange zu kichern. Es ist irgendwie lustig.


Dann sehe ich das kleine Häuschen vor mir. Ich überleg mir, ob es wohl bewohnt ist. Dann dreh ich mich wieder um, und gucke zu der Wiese mit den Gänseblümchen. Auf einmal interessiert mich das Häuschen nicht mehr. Ich gehe lieber wieder zurück zur Wiese, wo alles so einfach und friedlich wirkt. Auf der Wiese hör ich wieder das Kichern des Grases und den Gänseblümchen.


Ich geh genauso vorsichtig wieder zurück und wir kichern gemeinsam, die Wiese, die Blumen und ich.
Ich finde mich selbst kichernd vor dem Bild stehend wieder. Ich schaue mich unsicher um, alles erscheint mir so chaotisch in dieser Welt. Ich hör, wie jemand sagt:
„Schau mal, die ist bekloppt, die steht die ganze Zeit kichernd vor dem Bild.“ – „Ja, die spinnt, komm wir gehen.“
Solche Situationen passieren öfter bei mir. Ich bin dann verwirrt und nervös.


Oft weiß ich dann gar nicht mehr, weshalb ich in dem Geschäft oder Ort bin. Ich denk mir dann, was tust du nur hier? Geh weg, geh weg, geh ganz schnell weg!
Es mag sein, dass ich auf Außenstehende in so einer Situation bekloppt oder gestört wirke. Das kommt aber nur, weil die nicht das sehen, was ich sehe. Mir ist schon ganz klar bewusst, dass das nicht echt ist, was ich sehe. Das ist meine Phantasie.

 


(4) Bewegungen

 

1. Was sind Stereotypien?
2. Wie sehen Ärzte oder Außenstehende die Stereotypie?
3. Was ist die Ursache, oder der Grund für die Stereotypie?
4. Wie sieht der Betroffene (bzw. wie nehme ich die Stereotypie für mich wahr?)
Das sind Fragen, die wir heute angefangen haben zu reden.

Zu 1: Was sind Stereotypien?
Stereotypien sind sich ständig wiederholende Bewegungen von einzelnen Körperteilen.
Viele Menschen, auch Ärzte, meinen, das sind sinnlose Bewegungen.

Diese Bewegungen äußern sich bei mir zum Beispiel im Hin- und Herwackeln des Oberkörpers. Das mach ich, glaub ich, fast ständig. Eine andere Stereotypie ist z.B. mit den Händen, Fingern vor den Augen zu spielen – drehen. Oder auf Glassteine klopfen. Klopfen mach ich irgendwie bei vielen Dingen. Ich könnte jetzt noch viele Stereotypien aufzählen, die beim autistischen Menschen vorkommen, wie z. B. Schmatzen (das mach ich selbst aber nicht) oder Flusen (Pödeln). Frederic hat als Kind immer gepödelt. Frederic hat das bevorzugt an Tapete, Sofa oder Kleidung gemacht, so dass manchmal eigentlich oft Löcher drin waren. Ich glaube, dass das unterschiedlich ist. Nicht jeder Autist hat die gleichen Stereotypien.

 

Zu 2. Wie sehen Ärzte oder Außenstehende die Stereotypie? Ich hab die Erfahrung gemacht, dass die Ansichten, Meinungen darüber unterschiedlich sind.
Ärzte sehen darin oft sinnlose Bewegungen, die man mit Medikamenten vielleicht wegmachen kann. Ein Arzt meinte, dass bei mir die Stereotypie (Wackeln) grotesk aussieht und ich deshalb keine Stelle bei den „Du-Norm-Menschen“ bekommen würde. Und wenn überhaupt, dann müsste es eine Stelle (Arbeit) sein, wo kein Publikumsverkehr ist. Genau hab ich nicht verstanden, was er eigentlich damit meint.

Er hat mir dann ein Medikament gegeben, das war irgend so ein Mittel gegen Parkinson. Das sollte die Stereotypie wegmachen. Ich hab das Mittel (Tabletten) auch ein paar Tage eingenommen. Das Wackeln aber ist nicht weggegangen, ich bin nur öfter einfach umgefallen. Julia, eine Bekannte von mir, sagte dann, ich soll die Tabletten nicht mehr einnehmen.


Sie hat mir auch erklärt, was der Arzt gemeint hat mit dem Wort „grotesk“ und „eine Arbeit ohne Publikumsverkehr“. Julia sagte. „Du kennst doch die Geschichte von dem Glöckner “Quasimodo“ von Notre Dame. Das war auch ein Behinderter, den man in einem Kirchturm verstecken musste, damit die „Du-Norm-Menschen“ ihn nicht angucken mussten. Weil er so grotesk aussah.“ Oh – oh, ich hab es verstanden! Was Julia mir da sagte. Aber gefallen hat mir das nicht.
Mein Problem war, dass ich das selbst nicht so gesehen - wahrgenommen habe. Dass ich irgendwie anders bin und aussehe, ja, das wusste ich schon, aber nicht, dass ich so auf die „Du-Norm-Menschen“ wirke. Von da an bin ich nicht mehr zu dem Arzt gegangen.

Ich selbst sitz halt immer auf dem Boden und wackele so vor mich hin. Er hat also die Schuhe ausgezogen und sich auf den Boden gesetzt. Zuerst wollte er die Beine so neben sich nach hinten anwinkeln, wie ich das immer tue. Aber das hat nicht so gut geklappt. Ich hab ihm dann gesagt, dass das auch im Schneidersitz geht. Als der dann im Schneidersitz da gesessen ist, hat er mit dem Wackeln angefangen. Das hat er dann auch echt gut gemacht. Hi, hi, hi, das hat nur etwas komisch ausgesehen, weil er halt ein bisschen viel Mensch ist. Ihm sind dabei allerdings Dinge aufgefallen, die ich selbst eigentlich nicht so bewusst wahrnehme. Z. B., dass sich die Gegenstände, Tassen Teller und so, wie bewegen – verschieben. Auch das Licht, das durch das Fenster kommt und sich auf der Tischplatte widerspiegelt, hat er wahrgenommen. Ich hab ihm erklärt, dass man sich in dem Licht (Spiegelung) gut selbst stimulieren kann. Das ist gut zu wissen, wenn man irgendwo ist, wo man kein Glas oder Gegenstände hat, und sich wegbeamen will. Es gibt ganz viele Dinge, in denen ich mich verlieren kann.
Angefangen vom Muster einer Tapete oder Teppich bis hin zum Menschen. Besonders bei Frauen, die schönen, funkelnden Ohrschmuck anhaben. Mit Brillen geht es, da sind aber die Augen so nah von dem Menschen, das nimmt einen dann wieder raus aus der Leere.

 

Wie sieht der Betroffene das? (Beziehungsweise: Wie nehme ich die Stereotypien für mich wahr? Ich weiß, dass ich verschiedene Stereotypien hab. Aber im Alltag, also im täglichen Leben, bemerke ich es eigentlich nicht bewusst. Das passiert alles einfach. Wenn ich aber z.B. mit dem Herrn Lorenzen darüber rede, dann wird mir die Stereotypie schon bewusst, kommt ins Bewusstsein. Stereotypien, die ich durch das Gespräch z. B. selbst, bewusst, wahrnehmen kann, sind:
Hin- und Herwackeln des Oberkörpers Klopfen, am liebste auf Glassteine oder normale Steine
Klopfen, allgemein
Finger drehen
Finger vor den Augen drehen
Spiel (Hin- und Herdrehen meines Kontaktstabes)
Rollen

 

Bedeutung der Stereotypien


Hin- und Herwackeln des Oberkörpers. Das mach ich, glaub ich, fast ständig. Für Außenstehende sieht das so aus, als wenn ich nervös bin oder aber sie denken, dass Musik in meinem Kopf ist. Dies ist aber nicht der Fall. Ich hab keine Musik im Kopf und ich bin dann auch nicht unbedingt nervös. Es ist, dass es einfach passiert, das Wackeln. Ich kann es nicht beeinflussen. Wenn ich es nicht tun würde, dann wird ich nervös oder sogar aggressiv. Das Wackeln kommt also nicht, weil ich nervös bin. Das ist einfach ein Teil von mir. Es verändert sich allerdings in der Intensität.:

Klopfen auf Glassteine oder Steine. Den Kontakt zu Glas mag ich im allgemeinen sehr. Das Klopfen passiert auch einfach. Das kommt von innen, wie ein Zwang oder Drang ist da. Manchmal – na ja, eigentlich oft passiert es einfach so, ohne Grund. Das Gefühl – Drang oder Zwang kommt von dem oberen Teil der Finger aus, geht dann irgendwie nach innen und aktiviert so die Bewegung zum Klopfen. Das Klopfen macht mir irgendwie Spaß. Es hat auch was Beruhigendes für mich. Wenn ich z. B. Kunden hab, klopfe ich, glaub ich, besonders oft auf die Glassteine. Die geben mir dann irgendwie das Gefühl von Stabilität. Wenn auch um mich herum sich ständig irgendwie was verändert, z. B. durch den Besuch von Kunden oder sonst jemandem, brauch ich irgendwie das Wiederholen von dem Klopfen, denn das ist immer gleich. Manchmal ist das Klopfen auf die Steine (Glassteine) auch einfach nur Ausdruck von einem Gefühl (Lachen). Das Klopfen ist dann aber stärker schneller aufeinanderfolgend. Als Kind hatte ich noch keine Glassteine, da hab ich Klickerte (Murmeln) oder normale Steine von der Straße gehabt. Die Bedeutung ist für mich gleich geblieben. Wobei bei den normalen Straßensteinen auch immer noch ein starkes Bedürfnis von Riechen, Schnüffeln und mit den Lippen-Zunge-Schlecken (Lecken) war.

 

(5) Essen und Kleider

. Ich erinnere ich mich an früher (als Kind), da hab ich am Tisch gesessen mit den anderen, um zu Mittag zu essen. Da ich mal wieder wie ein Schwein mit den Händen aß, sagte mir die Mutterfrau: Ich soll mit der Gabel essen. Ich nahm die Gabel und aß auch 1-2 mal damit. Das Metall im Mund machte mich aber nervös und hysterisch, vor allem, wenn es an die Zähne kam. Ich mochte das Gefühl von dem Metallbesteck oder was das silberne war, in meinem Mund nicht.
Ich hielt das Besteck zwar weiter in der Hand, aber aß nichts mehr. Denn dieses Besteck im Mund machte, dass ich


1. den Geschmack von dem Essen anders empfand,
2. brennt es so ein bisschen im Mund
3. konnte ich das Gefühl an den Zähnen von dem Besteck nicht ertragen.


In meinem Kopf war: Lieber würde ich verhungern, bevor ich weiter mit dem Ding essen tue.

 

Es gibt viele solcher kleinen Probleme, die bei den „Du-Norm-Menschen“ auf Unverständnis, Ablehnung etc. wirken. Auch mit der Kleidung z.B. Die Frau Dr. Kronenberger hat mir als mal Kleidung von sich geschenkt, damit ich sie anziehen soll. Das war echt gute Kleidung und teuer. Ich hab die Kleidung aber nicht anziehen können. Ich weiß selbst nicht, warum. Aber manche Materialien mag ich einfach nicht anziehen. Ich ziehe und kratze mich dann ständig an der Kleidung. Auch mag ich Kleider nur in ganz bestimmten Farben, beige – hellblau – pastellfarben. Die Kleidung von der Frau Dr. Kronenberger hatte aber fast immer braun, dunkelrot – schwarz. Auch mag ich keine enge, feste Kleidung. Lieber weiche – weite Materialien.
(02 – März ]Das ist einfach viel, viel angenehmer vom Gefühl auf der Haut. Das ist auch ein Problem, das ich von früher her kenne (Kindheit) und im Alltag oft zu Unruhe, Aufregung und hysterischen Anfällen führte bis hin zur Autoaggression.


Frau Dr. Kronenberger meinte auch, dass ich undankbar bin, sie versteht nicht, warum ich die Kleidung einfach weggegeben habe und nicht anziehe.
Das tut mir schon wieder irgendwie Leid, da ich glaube, dass sie es ja gut gemeint hat. Aber sie versteht das nicht und urteilt und interpretiert einfach was Böses hinein. Als ich Kind war, sagten die „Du-Norm-Menschen“ auch, ich wäre hysterisch, stur, bekloppt, weil ich bei manchen Kleidungsstücken, die ich tragen sollte, so hysterisch reagierte.

 

(6) In die Welt hinausgehen

 

Ich fühle mich einfach nicht wohl in der Welt der Du-Norm-Menschen.


Meine Welt ist einfacher, klarer, schöner. Hm, ich überleg mir grad, ob ich, wenn ich könnte, ein Du-Norm-Mensch sein wollte. – Nein, ich will kein Du-Norm-Mensch sein.


Ich will auch nicht, (Hi, wie der Herr Lorenzen mal gesagt hat) in die Welt hinausgehen, denn dort sind ja die Du-Norm-Menschen. Nicht, weil ich sie nicht mag. Einfach, weil ich sie nicht verstehe. Sie sind so anstrengend. Ich will lieber alleine sein. In meiner kleinen, autistischen Welt.


(7) Sprechende Karten


Es ist einfacher, ein Gespräch mit nur einer Person zu haben. Wenn die Person mit etwas vertraut ist, klappt das auch ganz gut.
Wichtig ist, dass entweder die Person oder die Umgebung für mich bekannt ist.


Während eines Gesprächs mag ich keinen direkten Blickkontakt zu der Person haben. Ich guck die Person nicht gern an, denn der direkte Blickkontakt macht, dass ich dann irgendwie nicht mehr sprechen kann. Falls es doch mal passiert, dass ich eine Person direkt angucke, und diese Person mich dann auch direkt anguckt, ist mir, als könnte ich der Person bis auf den Grund ihrer Seele sehen.

Irgendwie ist das so, als würde ich durch eine Tür sehen, die eigentlich geschlossen ist. Ich finde, es gibt Türen, die sollten einfach geschlossen bleiben. Mir ist das dann einfach zu nah. Ich mag das nicht.


Es fällt mir auch schwer, mehrere Sinne gleichzeitig zu nutzen. Jemanden anzugucken, zuzuhören und zu sprechen, das ist einfach zu viel, so dass einer der Sinne automatisch ausgeschaltet wird. Wenn ich Karten dazwischen hab (Tarot-Karten oder normale Spielkarten, dann fällt mir mein Handikap fast gar nicht auf. Ich kann dann ganz gut auch mit fremden Personen reden. Das Reden nennt man Kartenlegen. Ich guck die Personen manchmal dann auch an (eher durch sie hindurch) und rede dann wie in Trance weiter. Den nächsten Blick dann auf die Karten gerichtet, beantworte ich dann die Fragen, die die jeweilige Person hat.
Den Leuten gefällt das, die glauben dann, dass ich hellsehen kann, die Zukunft voraussehen kann. Oft stimmt das, was ich den Leuten (Kunden) als Antwort sage.
Es passieren auch Dinge in der Zukunft, die ich den Kunden gesagt (prophezeit) habe. Wieso das so oft stimmt, weiß ich eigentlich nicht. Aber die Kunden sind in ihrem Glauben – Denken bestärkt, so dass sie immer wieder kommen. Das nenn ich dann Stammkunden. Ich kann natürlich nicht hellsehen, ich bin auch keine Hexe, so wie manche sagen. Es ist ganz einfach eine Möglichkeit, die ich als Kind für mich entdeckt habe, durch die Karten zu sprechen.
Es muss halt irgendetwas zwischen mir und der Person sein.

 

 

 

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Was ist Interaktions-Kunst? Ein Manifest.

 

 

 

 

 

 


Allgemeine Beschreibung des Labors/ General Description of the Lab
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